Persönlichkeitsstörungen: Mehr als Borderline und Narzissmus

Wenn es um Persönlichkeitsstörungen geht, denken die meisten an "Borderline" oder "Narzissmus" - viel mehr wissen sie meistens nicht. Ja, vielleicht haben sie mal weit vergangen davon gehört, dass es noch andere gibt, aber eigentlich nicht so richtig. Wenn man es gaaaanz genau nehmen wollte, müsste man seit einiger Zeit auch sagen, es gibt diese Begrifflichkeiten so in der Form nicht mehr, sondern, wenn überhaupt, nur noch "Borderline", weil alles andere in der ICD-11 eh nicht mehr so benannt wird. Was ist das wieder? ICD?

Internationale Klassifikation von Störungen/ Krankheiten. Und die 11 ist die neueste Version. Davor gab es ... verständlicherweise ... die 10. Und die 10 gilt so auch immer noch, weil es doch recht lange dauert, bis Behörden, Dienstleister und Kostenträger ihre ganzen Systeme umgestellt haben. Letztens habe ich von einem Professor gehört, dass Spanien noch mit ICD-9 arbeitet und die ja jetzt ICD-10 eigentlich so überspringen können ... faszinierend, die arbeiten also noch damit, dass Homosexualität eine Störung ist.

 

Gehypt wird heute vor allem "Narzissmus". Wenn man so eintaucht in die sozialen Medien, dann könnte man denken, dass Narzissmus überall präsent ist - und was das für bösartige, schreckliche, grausame Menschen sind! Die überholen ja glatt Hannibal Lecter und alle anderen Psychopathen. Nein, im Ernst: Das meiste, was verbreitet wird, ist der größte Quatsch. Innerlich schlage ich oft die Hände vor das Gesicht und denke: Omg ... wtf?

 

Es gibt so viele Differentialdiagnosen, so viele Komorbiditäten, so viele Umstände, die nichts mit Narzissmus zutun haben aber die als das betitelt werden.

 

Ich freue mich immer, wenn ich Fachleute reden höre, die ich für sehr kompetent und wertschätzend halte. Rainer Sachse, Class-Hinrich Lammers, Stephan Döring - alles Professoren, die sich seit Jahren, teils seit Jahrzehnten mit dem Thema Narzissmus oder allgemein Persönlichkeitsstörungen auskennen.

Denn die meisten wissen es nicht: Es gibt eine paranoide, eine unsicher-vermeidende, eine histrionische, schizoide, dependente (abhängige), anankastische (zwanghafte), dissoziale usw. Persönlichkeitsstörung. All diese werden sehr häufig mit Narzissmus verwechselt.

 

Interessant ist auch das Konzept des Komplementärnarzissmus` bzw. des Co-Narzissten. Jener, der sich in der Beziehung völlig aufgibt und durch die Erhöhung des Partners/ der Partnerin ihr Selbst und ihren Sinn findet.

Oder die Einstufung eines gesunden Narzissmus (siehe Otto Kernberg, Lammers etc.): Jener, der für sich einsteht und sich als Person wertvoll empfindet, ohne sich die Frage zu stellen, für was er im Außen gemocht oder nicht gemocht wird, konträr zu dem, was im pathologischen Narzissmus zu finden ist: Starker Mangel an Selbstwert, Leere, stetes Bemühen das Ideal-Selbst aufrechtzuerhalten.

Ich will euch meine neue "Errungenschaft" eines Vortrages nicht vorenthalten.
Hier spricht Prof. Dr. Stephan Döring allgemein über Persönlichkeitsstörungen - und ich halte das für sehr gelungen.

Link zur Homepage mit Vortrag

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